Wenn die digitale Identität außer Kontrolle gerät – wie wir Opfern von Stalking und Cyberstalking helfen können

November 2025 | Cybercrime

Es beginnt oft leise. Sie werden von einem Freund oder einer Freundin auf Ihr neues Profil bei einem sozialen Netzwerk angesprochen. Die Fotos, die sie darauf gepostet haben, sähen interessant aus. Ein Kompliment, das sie verwundert – denn Sie haben bei besagter Plattform nie ein Profil erstellt.

Sie sehen sich „ihr“ Profil selbst an – nein, das stammt definitiv nicht von Ihnen. Die Fotos darauf zeigen zwar eindeutig Sie, teilweise haben Sie diese Fotos auch selbst auf anderen Plattformen hochgeladen, aber sicher nicht hier.

Kurz darauf folgen anonyme Nachrichten, Freundschaftsanfragen von Fremden, vielleicht sogar seltsame Beobachtungen im Alltag: Jemand weiß, wo Sie waren. Jemand kennt Details, die Sie nie öffentlich geteilt haben. Aus Unsicherheit wird Angst, aus Angst Verzweiflung. Und irgendwann fühlen Sie sich nicht mehr sicher – weder online noch offline.

Bei vielen Opfern stellen sich mit der Zeit Angstzustände oder Schlaflosigkeit ein, soziale Kontakte werden eingeschränkt, die Wohnung oder gar der Arbeitsplatz gewechselt. Neben der psychischen Beeinträchtigung der Betroffenen können auch körperliche Beschwerden hinzukommen.

Stalking aus rechtlicher Sicht: Nachstellung

Ein harmloser Scherz, wie manch einer denken wird? Irrtum! Hier könnte es sich um Stalking handeln – Nachstellung, wie Juristen es ausdrücken würden, strafbar gem. § 238 StGB.

Der Begriff der „Nachstellung“ kommt dabei ursprünglich aus dem Bereich der Jagd. Im Kontext jagdrechtlicher Straftaten wird hierunter eine Handlung verstanden, mit welcher der Täter zum Fangen, Erlegen oder Zueignen des Wildes ansetzt. Diese Parallele verdeutlicht die gravierenden Auswirkungen, die Stalking auf die Opfer haben kann – und dass sich der Gesetzgeber dessen bewusst war, wenn er mit § 238 StGB einen Straftatbestand geschaffen hat, der andauernden Belästigungen und damit einer sich mit jeder Handlung intensivierenden Beeinträchtigung der persönlichen Lebensgestaltung des Opfers Einhalt gebieten will. Sind zudem gesundheitliche Beeinträchtigungen gegeben, kann ebenfalls der Tatbestand der Körperverletzung gem. § 223 StGB erfüllt sein.

Dabei ist es nicht mehr relevant, ob das Tatopfer tatsächlich eine Änderung seiner Lebensführung – wie etwa einen Wechsel seiner Telefonnummer oder einen Umzug – vollzieht. Nach einer Gesetzesänderung reich nunmehr, wenn sich die Handlungen des Täters objektiv dazu eignen würden, ein Opfer zu so einer Handlung zu veranlassen.

Ob tatsächliche physische Annäherungen, ständige Versuche der Kontaktaufnahme durch den Täter oder aber auch durch Dritte, Verbreiten von Inhalten im Namen des Opfers, die für dieses rufschädigend wirken oder sämtliche Formen digitaler Nachstellung („Cyberstalking“) wie das Hacken von Social-Media-Konten oder digitales Verbreiten von Abbildungen des Opfers – die Beeinträchtigungen können immens sein. Und genau hier kann es helfen, einen Anwalt um Hilfe zu bitten, um der Ohnmachtsspirale zu entkommen.

Neue Gefahren: Cyberstalking durch Apple Airtags, GPS Ortungssysteme

Nachstellung („Stalking“) mittels Apple AirTags, GPS-Hundetrackern oder anderen Ortungssystemen kann strafbar sein. § 238 StGB erfasst beharrliche Handlungen, die dazu geeignet sind, die Lebensgestaltung einer Person schwerwiegend zu beeinträchtigen—etwa durch wiederholtes Aufsuchen, Kontaktaufnahmen, das Bestellen von Waren/Dienstleistungen auf ihren Namen oder vergleichbare Tathandlungen. Das verdeckte Verfolgen der Bewegungen einer Person durch versteckte Ortungsgeräte fällt regelmäßig unter diese „vergleichbaren Handlungen“. Es genügt, dass die Taten objektiv geeignet sind, die Lebensführung erheblich zu beeinträchtigen; tatsächlich eingetretene Angst, sozialer Rückzug oder Änderungen des Alltags sind starke Indizien. Der Grundtatbestand ist mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bedroht; in qualifizierten Fällen (etwa bei konkreter Gefährdung) erhöht sich der Strafrahmen, bis hin zu mehrjährigen Freiheitsstrafen, bei Todesfolge bis zu zehn Jahren.

AirTags lassen sich leicht verbergen und nutzen Apples „Wo ist?“-Netzwerk. Schutzmechanismen (Warnmeldungen, Ton) existieren, werden aber in der Praxis nicht immer wahrgenommen—der missbräuchliche Einsatz zu Überwachungszwecken kann daher den Tatbestand des § 238 StGB erfüllen und zusätzlich zivil- und datenschutzrechtliche Ansprüche (Unterlassung, Schadensersatz) auslösen. Entscheidend sind Zweck, Intensität, Dauer und Kontext der Ortung.

GPS-Tracker für Hunde sind demgegenüber grundsätzlich legitim (Tierschutz, Wiederauffindung eines entlaufenen Tieres). Strafrechtlich problematisch wird es erst, wenn durch deren Einsatz die Bewegungen identifizierbarer Drittpersonen ohne Einwilligung überwacht werden (z. B. Tracker am fremden Fahrrad, Auto, Kinderwagen), wenn räumliche Schutzbereiche verletzt werden (z. B. Betreten eines Hausgrundstücks zum Anbringen) oder wenn trotz klar geäußerten Abwehrverhaltens weiter nachgestellt wird.

Praxis-Hinweise: Wer sich beobachtet fühlt, sollte Beweise sichern (Screenshots von Warnmeldungen, Geräuschsignale protokollieren, Geräte sichern lassen), frühzeitig die Polizei informieren, Beratungsstellen nutzen und Schutzanordnungen (Gewaltschutzgesetz) prüfen. Wer Ortungstechnik rechtmäßig einsetzen will, braucht eine klare, rechtfertigende Zweckbindung (z. B. Tierortung), Transparenz gegenüber Betroffenen, Datenminimierung und muss jede Überwachung von Personen ohne Rechtsgrundlage unterlassen. Dies ist keine Rechtsberatung; im Einzelfall sollte anwaltlicher Rat eingeholt werden.

Wie wir Opfern von Cyberstalking helfen

Als auf IT-Recht und Cybercrime spezialisierte Kanzlei unterstützen wir Sie nicht nur bei der Erstattung von Strafanzeigen, sondern auch bei der Sicherung von Beweismitteln, der Identifizierung von Tätern durch technische Analyse, der Löschung oder Sperrung gefälschter Social-Media-Profile und rechtswidriger Inhalte, ggf. durch Unterlassungs- und Löschungsanträge gegen Plattformbetreiber. Wir beraten Sie gerne zu Schutzmaßnahmen für Ihre Geräte, Accounts und digitale Kommunikation. 

Als Opfer einer solchen Tat sind sie berechtigt, als Nebenkläger aufzutreten (§ 395 I Nr. 4 StPO). Als solcher können Sie den Gang des Strafverfahrens maßgeblich mit beeinflussen. Ebenfalls können Sie im Adhäsionsverfahren bereits im Strafprozess Schmerzensgeld- oder Schadensersatzansprüche geltend machen, was Ihnen ein separates Zivilverfahren ersparen kann.

Zögern Sie also nicht, uns für eine kostenlose und völlig unverbindliche Ersteinschätzung per E-Mail zu kontaktieren. Wir stehen Ihnen zur Seite!